RÜCKBLICK BERICHT
BERLIN
SUMMIT

„Was wollen die Patienten?“
Ulla Ohlms
 
 

In der Medizin, so denken viele, steht der Mensch im Mittelpunkt. Ihm gilt das Interesse der medizinischen Zunft an seiner Gesundheit. Der Patient soll Nutznießer von Diagnose und Therapie sein. Der Patient soll geheilt werden. Ja, richtig. Aber viele Jahre waren Patienten eher das Objekt medizinischer Aufmerksamkeit. Sie beobachteten, was mit ihnen geschah. Die Therapie wurde ertragen. Das hat sich in den letzten 20-25 Jahren radikal geändert. Durch den Zugang aller Menschen zum World Wide Web fand eine Demokratisierung des medizinischen Wissens statt. Was der Arzt den Patienten zur Krankheit mittteilte, konnte nun im Internet nachgeschlagen werden. „Stimmt das wirklich? Was heißt das genau? Und was kommt jetzt?“

In dieser Zeit wurde bei mir Brustkrebs diagnostiziert. Ich nutzte Bibliotheken und das Internet, um mit dem Schrecken der Krebsdiagnose umzugehen. Schon vor der Behandlung wurde ich zur Expertin meiner Krankheit. Ich konnte die vorgeschlagene Behandlung auf seriösen Seiten recherchieren, konnte nachfragen und so der Therapie mit Überzeugung zustimmen. Die Zahl der mündigen und wissbegierigen Patientinnen und Patienten wuchs exponentiell. Shared decision-making war nicht länger ein Import aus den USA.

 

 
 

Wo stehen wir heute? Bei der Krebsforschung konnten wir Patienten in den letzten Jahren Quantensprünge beobachten. So etwa bei den monoklonalen Antikörpern für Brustkrebspatientinnen mit aggressiver Tumorbiologie. Oder bei Lungenkrebs und Melanom, wo molekulargenetische Untersuchungen bahnbrechende Ergebnisse zeigten. Seltene Genmutationen/Treibermutationen wurden entdeckt und konnten erfolgreich abgeschaltet werden. 

Patienten mit seltenen und fortgeschrittenen Krebserkrankungen hoffen jetzt, dass ihnen alle Möglichkeiten genetischer Testung offenstehen. Sie wollen von neuen Medikamenten profitieren. Sie wollen länger leben. Aber längst nicht immer werden Genuntersuchungen angeboten. Das muss besser werden!  

Viele Krebspatienten wollen ihre anonymisierten Krankheitsdaten (Tumorbiologie, Genmutation, Behandlung, Krankheitsverlauf) der Wissenschaft zur Nachnutzung überlassen. Sie wissen, dass mit künstlicher Intelligenz Ähnlichkeiten und Muster sichtbar werden, die zur weiteren Entschlüsselung des Krebses und zur Heilung beitragen können. Leider versperrt der Datenschutz diese Möglichkeiten. Das muss aufhören! Jede Krebspatientin muss selbst entscheiden, was sie mit ihren pseudonymisierten Daten machen will. Wer das nicht will, sagt NEIN und wählt die Opt-out-Lösung. 
Die elektronische Patientenakte mit Opt-out muss endlich kommen!

 

Ein Beitrag von Ulla Ohlms, Vorsitzende Stiftung PATH - Patients' Tumorbank of Hope

Erstveröffentlichung Juni 2023; Tagungsbroschüre Vision Zero Summit